Zur Zeit läuft bei RTL die 6. Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“, einer Show, bei welcher ein Popstar gefunden werden soll. Wenn dabei eine Kelly Clarkson oder eine Leona Lewis entdeckt wird, dann erfüllt das Format seinen Zweck durchaus. Allerdings sehen viele Bildungsbürger die Show eher als Unterschichtenfernsehen an, was man an den Kommentaren merkt, welche zu Berichten wie diesem geschrieben werden. Auch wenn man was an DSDS auszusetzen hat (und das ist so einiges), so finde ich es völlig verkehrt, vor diesem Phänomen die Scheuklappen aufzusetzen. Vielmehr sollte man – wie eigentlich bei jeder Kuriosität – genauer hinsehen und dabei auch Methoden abseits der üblichen Informationsgewinnung verwenden. Als Beispiel soll untersucht werden, wie groß die Favoritenrolle in den einzelnen Staffeln gewesen ist, wobei der Gini-Koeffizient herangezogen wird.
Um das Ausmaß der Favoritenrolle in einer Staffel zu ermitteln, bietet sich die Verteilung der Stimmen auf die einzelnen Kandidaten an. Wenn alle Kandidaten gleichviel Stimmen erhalten, so gibt es keinen Favoriten um den Superstar-Titel. Wenn alle Stimmen auf einen Kandidaten entfallen, so gibt es einen eindeutigen Favoriten. Das ist zumindest die Theorie. Um die verschiedenen Staffeln vergleichen und um diesen Vergleich in einen frühen Stadium machen zu können, sollen die Abstimmungen bei den Mottoshows betrachtet werden, in welchen jeweils die letzten 10 Kandidaten angetreten sind.
Um die Ungleichverteilung der Stimmen zu ermitteln, benötigt man ein Maß. Ein beliebtes Ungleichverteilungsmaß ist der Gini-Koeffizient, welcher im Wesentlichen wiedergibt, wie weit die vorliegende Verteilung von einer Gleichverteilung entfernt ist. In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wird so mit Vorliebe die Ungleichheit bei den Einkommen und Vermögen gemessen, wobei die Individuen gruppiert werden. Der Gini-Koeffizient liegt bei 0, wenn jeder gleich viel erhält oder besitzt, und er geht gegen 1, wenn nur einer alles bekommt. Der Ausdruck „geht gegen 1“ bedeutet dabei, daß das Maximum bei n Gruppen nicht bei 1, sondern bei (n-1)/n liegt. Bei der Abstimmungen für die 10 Kandidaten kann der Gini-Koeffizient somit höchstens bei 0.9 liegen. Um den Koeffizienten zu normieren, ist es möglich, ihn durch das Maximum zu teilen, so daß er tatsächlich Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann. Allerdings steigt er auch in normiertem Zustand mit der Anzahl n der Individuen/Gruppen an.
Es folgen nun die Gini-Koeffizienten für die Top 10 der ersten 5 Staffeln von DSDS. Zu den einzelnen Staffeln sind auch die „Favoriten“ zu sehen, also die Kandidaten, welche zu der Zeit zusammen die Hälfte der Stimmen erhalten haben (aus den Mottoshows selbst geht nicht eindeutig hervor, welcher Kandidat vorne und welcher hinten liegt).
Ungleichheit bei DSDS-Top-10 |
Staffel |
Gini-Koeffizient |
Favoriten |
1 |
0,559 |
Judith Lefeber, Daniel Küblböck |
2 |
0,339 |
Philippe Bühler, Anke Wagner, Denise Tillmanns, Elli Erl |
3 |
0,405 |
Vanessa Jean Dedmon, Nevio Passaro, Mike Leon Grosch |
4 |
0,392 |
Mark Medlock, Lisa Bund, Francisca Urio |
5 |
0,539 |
Thomas Godoj |
Fett: späterer Sieger
(Quellen: dsds.ch, eigene Berechnungen)
Die größte Ungleichheit bei den Stimmen bestand demnach in der 1. und 5. Staffel, während das Feld in der 2. Staffel am engsten zusammenblieb, was auch daran ersichtlich ist, daß damals 4 Kandidaten die Hälfte der Stimmen erhielten. Bei der Betrachtung der Tabelle fallen einige Sachen auf:
- Die späteren Sieger Alexander Klaws und Tobias Regner lagen zu der Zeit nicht im vorderen Feld.
- Mark Medlock hatte zwar als erster DSDS-Teilnehmern in jeder Abstimmung die meisten Stimmen bekommen, der Gini-Koeffizient spiegelt das nicht wieder. Der Grund war, daß es am Anfang mehrere Kandidaten gab, welche Stimmen auf sich ziehen konnten.
Diese Beobachtungen zeigen, daß der Gini-Koeffizient nur eine Zusammenfassung darstellt und nicht einzelne Entwicklungen der Kandidaten wiedergeben kann.
Zum Vergleich kann man auch das Abstimmungsergebnis von Finale des RTL-Supertalents 2008 heranziehen, welches Michael Hirte gewonnen hatte. Hier erhält man einen Gini-Koeffizienten von 0,704!
Egal, wie man zu solchen Formaten steht, es lohnt sich, sie mit einem wachen Auge zu betrachten und dabei auch Methoden anzuwenden, bei denen das Ergebnis nicht im Voraus feststeht.
[UPDATE: In der 3. Mottoshow der aktuellen Staffel gab es – wie so oft – eine Neuerung: Moderator Marco Schreyl verkündete kurz vor Ende der Abstimmung den Zwischenstand. Demnach entfielen auf die 8 Kandidaten jeweils 19, 18, 13, 12, 12, 10, 9 und 7 Prozent der Stimmen. Wenn dem so ist, dann würde diese Staffel das ausgeglichenste Feld aller bisherigen Staffeln besitzen. Die Einblendung ist auch unter dem Gesichtspunkt verständlich, daß RTL von den Zuschaueranrufen profitiert. (Marco Schreyl hatte dabei übrigens erwähnt, daß sich dabei auch zwischen den Plätzen 4 und5 noch alles entscheiden kann, da auf beide je 12 Prozent entfallen. Wie sich die Positionierung auf den Mittelplätzen auf die eigentliche Prozedur auswirken soll, ist allerdings unklar.)