Archive for Mai 2008

Zusatzinformation à la Sport Bild

Freitag, 30. Mai, 2008

In der Sport Bild Nr. 22 vom 28. Mai 2008 befand sich auf Seite 76 zu einem Bild eine Unterschrift, welche eine Information enthielt, welche von einer Zusatzinformation gefolgt wurde, welche die Redaktion für nötig hielt, da sie offensichtlich der Auffassung war, daß die erste Information eine Schlußfolgerung nach sich zieht, welche in diesem Fall nicht gegeben war, aber wohl allgemein gültig ist:

„David Coulthard mit seiner belgischen, aber hübschen Verlobten Karen Minier“

Der geneigte Leser mag den Satz so oft lesen, wie er will: Er wurde tatsächlich so veröffentlicht.

Vorschlag für die Titelvergabe beim Eurovision Song Contest

Dienstag, 27. Mai, 2008

Der Eurovision Song Contest (ehem. Grand Prix d´Eurovision de la Chanson) hat sich in den letzten Jahren für Deutschland zu einem höchst traumatischen Erlebnis entwickelt. Aktuelles Beispiel war der diesjährige Wettbewerb in Belgrad, wo die No Angels mit ihrem Beitrag „Disappear“ Platz 23 in einem Feld von 25 Teilnehmern belegten.

Der Grund für die Bestürzung liegt darin, daß in den letzten Jahren Beiträge vorne liegen, welche nicht dem künstlerischen Ideal entsprechen, welches früher für den Wettbewerb gültig war. Die wenigen Punkte für Deutschland legen zudem den Verdacht nahe, daß die anderen Länder keine Punkte zuerkennen wollen, sondern lieber an die jeweiligen Nachbarn (einer genaueren Analyse dieser Situation widmet sich regelmäßig die BILD-Zeitung).

Das Hauptproblem ist aber ein anderes: die Finanzierung. Deutschland gehört zu den vier finanzstärksten Ländern der Europäischen Rundfunkunion EBU (die anderen drei sind Frankreich, Spanien und das Vereinigte Königreich). Die Veranstaltung des Eurovision Song Contest ist somit zu einem großen Teil den deutschen Gebührenzahlern zu verdanken. Das schlechte Abschneiden im Contest stellt somit einen eklatanten Mangel an Anerkennung dieses Beitrages dar. Der einzige Nutzen in diesem Jahr war, daß Deutschland und die drei anderen großen Geberländer im Hauptfeld gesetzt waren, so daß ein Platz unter den ersten 25 garantiert war (da insgesamt 43 Länder am Contest teilgenommen haben, stellt der 23. Platz der No Angels somit in Wahrheit einen Mittelplatz dar).

Damit Deutschland sich nicht aus dem Contest zurückziehen muß, wird eine neuer Titelvergabemodus benötigt. Um den finanziellen Beitrag zu berücksichtigen und gleichzeitig die sportliche Note zu bewahren, bietet sich als Lösung an, den Sieg künftig über eBay zu versteigern. Allerdings besteht die Gefahr, daß durch private Geldgeber wiederum ein ungerechtes Ergebnis entsteht. Auf jeden Fall wird das Problem vermindert, daß die Titelvergabe dadurch entschieden wird, daß sich die Zuschauer für von ihnen bevorzugte Lieder entscheiden.

Wissen ist Macht – Nichtwissen bringt Macht

Freitag, 23. Mai, 2008

Seit kurzem wird das Bild von der „Generation Doof“ beschworen, welche sich durch einen eklatanten Mangel an Allgemeinbildung auszeichnet und dies – einem Interview der Autoren des gleichnamigen Buches zufolge – als Lebenstil betrachtet. Während sich für diese These zahlreiche Beispiele finden lassen, dürfte das eigentliche Problem sein, daß es an der Erwerbung und Umsetzung von Wissen mangelt. Um es an der ersten Hälfte der Überschrift zu veranschaulichen: Macht ist nur dann Macht, wenn sie ausgeübt wird oder zumindest ausgeübt werden kann.

Es klingt zwar seltsam, aber eine unbedingte Nachfrage an Wissen und Intelligenz scheint es nicht zu geben. Dies beginnt schon in der Schule, wo Hochbegabte Probleme im sozialen Umfeld bekommen können. Ein Beispiel dafür habe ich in einer Fernsehreportage über hochbegabte Kinder mitverfolgen können, wo ein Junge aus der „normalen“ Schicht sinngemäß sagte, daß diese Kinder deswegen zu Außenseitern werden, weil sie sich nicht in die Gemeinschaft einfügen würden. Darüber mag sich jeder seinen Teil denken.

Beim Start ins Berufsleben stellt sich das nächste Problem ein. Sofern ein Universitätsabsolvent trotz mangelnder Berufserfahrung einen Job erhält, kann es vorkommen, daß er das im Studium erlernte Spezialwissen, welches einen Großteil der Faszination am Studienfach ausmachte, nicht anwenden kann. Über dieses Phänomen wurde schon vor ca. 15-20 Jahren berichtet, und bis heute scheint sich nichts daran geändert zu haben. Daß das Spezialwissen aus dem Hauptstudium so wenig nachgefragt wird, bedeutet nicht, daß eine eventuelle Umsetzung in der Praxis sich nicht lohnen würde oder zumindest das bestehende Wissen ausweiten würde. Daß besonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen noch viel Potential für Wissensmanagement besteht, macht ein Beitrag deutlich, welcher die wesentlichen Aspekte zusammenfaßt. Wer immer noch zweifelt, dem empfehle ich eine Beschäftigung mit Kaizen. Die Webseite Gemba Panta Rei ist eine gute Quelle für das erstaunliche Potential, was in einem Betrieb vorhanden ist. Die Übernahme der Philosophie der beständigen Verbesserung dürfte auch das leidige Thema der Berufserfahrung in den Hintergrund rücken.

Einen Ausweg aus dieser Misere liefert einmal mehr W. Edwards Deming. In einem Beitrag wurde ein bisher unbekanntes Deming-Zitat enthüllt. Es ist zwar nicht unbedingt ein zitierfähiges Zitat, aber ein Satz, welchen Deming nach Meinung des Verfassers häufiger als meisten Menschen gebraucht hatte:

„Ich weiß es nicht.“ (im Original: „I don´t know.“ )

Dies beschreibt zwar auch den Zustand der Generation Doof, es gibt aber wesentliche Unterschiede:

  • Deming hatte diesen Satz verwendet, um damit auszusagen, daß er über eine bestimmte Sache nicht Bescheid weiß. Bei der Generation Doof kommt so ein Eingeständnis weniger vor (für ihre Mitglieder wirkt es sich in der Regel eher nachteilig aus).
  • Die Tatsache, daß Deming zu einem gegebenen Zeitpunkt über etwas nicht Bescheid wußte, bedeutete nicht, daß dies auch so blieb. Es kam z.B. vor, daß er zwei Jahre später in seinen Seminaren die Antwort lieferte. Er war also – mit über 80 – bestrebt, bestehende Wissenslücken zu schließen. Nach allgemeiner Auffassung ist das ihm Zeit seines Lebens gelungen.

Die Lösung für den „Niedergang“ besteht also darin, aus der „Generation Doof“ eine „Generation Klüger“ zu machen. Der Weg dazu besteht in der Schaffung von Nachfrage und Möglichkeiten:

  • Es sollte das Potential ausgeforscht werden, welche die Anwendung von Wissen in Beruf und Alltag haben kann (es ist mehr als gedacht vorhanden).
  • Anwendung, Erweiterung und Erneuerung des Wissen sollten gewürdigt werden.
  • Ebenso sollte das Eingeständnis von Unkenntnis nicht zum Nachteil gereichen, sofern ausgemacht ist, daß die Wissenslücken geschlossen werden.
  • Es sollte erkannt werden, daß es einen Unterschied gibt zwischen der augenblicklichen Form und dem Potential, was einer hat, und daß dies für jeden gilt, anstatt nur für eine „Elite“.
  • Daraus folgt, daß Verbesserung für jeden gut ist (so wie ein vernünftiger Sportunterricht nicht nur den Olympioniken nützt, sondern auch den schwankenden Gestalten zu besserer Form verhelfen kann).
  • Für die Nutzung von Wissen sollten Möglichkeiten geschaffen werden (durch Bibliotheken, im Internet, durch Kaizen-Strukturen im Betrieb usw.).

Die Hauptsache ist, daß das Problem nicht bloß per Generalverdacht auf einen minderwertigen Charakter der Jugend zurückgeführt wird, sondern daß auch überlegt wird, wieso die beklagten Zustände überhaupt erst entstanden sind.

Oliver Kalkofe hat den statistischen Verstand

Freitag, 16. Mai, 2008

Der „konstruktive Medienkritiker“ Oliver Kalkofe hat laut seinem Lebenslauf eine Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten und Wirtschaftsdolmetscher in Englisch und Französisch absolviert. In seiner Fernsehsendung „Kalkofes Mattscheibe“ führt er schlechtes Fernsehen vor und zeigt mit sehr deutlichen Mitteln, was er davon hält. Dieselben Mittel in Form eines ausgesuchten Wortschatzes verwendet er auch in seiner Kolumne „Kalkofes letzte Worte“, welche in der Fernsehzeitschrift „TV Spielfilm“ erscheint. Besonders in diesen Kolumnen wird deutlich, daß hinter seinen typischen Formulierungen eine Fülle an durchdachten Gedanken steckt.

In einer der jüngsten Kolumnen setzt er sich mit der Tendenz im Fernsehen auseinander, auf Innovation zu verzichten und stattdessen altbewährte Formate zu produzieren, weil sie nachgewiesenermaßen bisher Erfolg hatten (eine Kritik, die auch Gore Verbinski im Zusammenhang mit Videospielen geäußert hat). Dabei merkt Kalkofe an, daß die Verantwortlichen sich auf Statistiken stützen, welche darlegen, welche Faktoren – im untersuchten Zeitraum – zum Erfolg geführt haben. Er gibt zu bedenken, daß ein neues Format besser beim Publikum ankommen kann als ein übernommenes:

„Der maximale Effekt beim Gewinnen der Publikums-Sympathie ist nun mal nicht die Wiederholung, sondern die Überraschung! Der Zuschauer lässt sich in erster Linie begeistern von dem was NEU ist und von dem er vorher noch gar nicht wusste, dass es das überhaupt geben würde.“

Dieser Ansatz spiegelt sich bekanntlich auch im Kano-Modell wieder, wo eine Gruppe von Eigenschaften eines Produktes oder Dienstleistung, die „Erfreuer“ (engl. delighter), beim Kunden überproportional ankommen. Diese Erfreuer werden von Kunden nicht erwartet. Im Zusammenhang mit dem Umgang mit den Zuschaueranalysen kommt Kalkhofe zu einer der ultimativen Weisheiten über die Statistik:

„Die tollste Statistik kann … nur helfen, wenn man nicht zu blöd ist, sie auch richtig zu lesen.“

Besser hätte man das nicht ausdrücken können. Man kann wohl davon ausgehen, daß Oliver Kalkofe kein Experte in statistischen Methoden ist. Trotzdem ist er durch bloße Betrachtung der Programmgestaltung zu dieser Erkenntnis gekommen. Nebenbei bemerkt, kann besagte Unkenntnis nicht als Argument dafür genommen werden, daß Kalkofes Erkenntnis falsch ist.

In der Kolumne äußert Kalkofe noch eine weitere Kritik, welche noch über die entsprechende Kritik von Verbinski hinausgeht. Seiner Meinung nach haben vom Ausland übernommene deutsche Fernsehformate das Problem, daß sie Kopien der Originale darstellen, jedoch „ohne das, was das jeweilige Original eben überraschend oder überragend machte“. Ein anschauliches Beispiel aus der jüngsten Zeit ist die Fernsehserie „Das iTeam – die Jungs an der Maus“, welche eine Kopie der britischen Serie „The IT Crowd“ ist. Die deutsche Serie wurde nach zwei Folgen aus dem Programm genommen, aber glücklicherweise gibt es im Internet Vergleiche zwischen einzelnen Szenen wie in dieser Video-Kritik (so daß es einem glücklicherweise erspart bleibt, sich die Serie selber anzusehen). Man muß sich unweigerlich fragen, ob die Fernsehmacher bei ihren Werken sich überhaupt vergewissern, ob ihre Sendungen die beabsichtigte Wirkung beim Zuschauer überhaupt haben.

Lesern der Literatur von und über W. Edwards Deming ist dieses Phänomen wohlbekannt. Dort ist das klassische Beispiel vom Möbelhersteller zu finden, welches Klaviere herstellen wollte und zu diesem Zweck ein Klavier kaufte und auseinandernahm. Die so hergestellten Klaviere waren perfekte Kopien mit der Ausnahme, daß sie nicht spielen konnten (wie auch das Originalklavier, welches zwecks Rückgabe wieder zusammengebaut wurde). Ein weiteres Beispiel handelte von kopierten Kopiergeräten, welche nicht kopieren konnten.

Kalkofes Kolumne zeigt, daß wichtige Erkenntnisse (korrekter Umgang mit Statistik, Bedeutung von Innovation) auch von Leuten gemacht bzw. übernommen werden können, welche nicht aus dem Fachgebiet kommen (in diesem Fall Statistik bzw. Betriebswirtschaft).

Es gibt keinen Ersatz für einem zweiten Eindruck

Donnerstag, 8. Mai, 2008

„Es gibt keine zweite Chance für einen ersten Eindruck.“ – beliebter Spruch

Der amerikanische Filmkritiker Roger Ebert hat regelmäßig darüber geschrieben, welches Erlebnis es darstellt, einen Film das erste Mal zu sehen. Während ich seine Meinung grundsätzlich teile, möchte ich in diesem Beitrag darüber schreiben, was es bedeuten kann, einen Film das zweite Mal (oder öfter) anzusehen. Vielleicht bin ich schwer von Begriff, aber bei manchen Filmen sehe ich Dinge erst, wenn ich sie mir öfter ansehe.

Als seinerzeit der Film „Pulp Fiction“ in den Kinos lief, bekam ich vorab schon zu hören, daß es ein besonderer Film sein soll, was z.B. an der Tatsache festgemacht wurde, daß es einen Comeback von John Travolta darstellte. Auf dem ersten Blick habe ich dann auch den Eindruck gewonnen, daß es ein interessanter Film ist. Aber erst, nachdem ich ihn nochmal im Fernsehen angesehen habe, fügten sich bei mir die Eindrücke zusammen und konnte ich alles nochmal studieren, so daß sich mir der Film immer mehr erschloß.

Das gleiche gilt auch für „Der Schuh des Manitu„. Jedesmal, wenn ich mir den Film ansehe, fällt mir die Hingabe zum Detail auf, mit welcher der Film gemacht wurde und die nicht unbedingt selbstverständlich ist. Dies ist offensichtlich ein Markenzeichen des Regisseurs Michael „Bully“ Herbig, denn in seinen anderen Werken kann diese Hingabe auch festgestellt werden.

Daß man nicht nur einen Aspekt eines Filmes immer mehr kennenlernen kann, sondern auch verschiedene Aspekte, habe ich während meiner Studienzeit mitbekommen. Bei einer Fete haben sich meine Mitstudenten über den Film „9 1/2 Wochen“ unterhalten. Dabei kam zur Sprache, daß einem, nachdem man sich den Film fünfmal angesehen hat, immer andere Sachen aufgefallen sind.

Insgesamt kann man davon ausgehen, daß je öfter man sich einen Film ansieht, einem neben dem, über was ein Film handelt, immer mehr bewußt wird, wie es darüber handelt. Dies ist laut Roger Ebert das entscheidende Kriterium, um einen Film zu beurteilen. Außerdem hat er mal festgestellt, daß jeder große Film jedesmal, wenn man ihn sieht, neu erscheinen sollte.

In diesem Zusammenhang sollte man überlegen, ob der Spruch vom Anfang dieses Beitrages der Weisheit letzter Schluß ist. Nicht umsonst hatte W. Edwards Deming in seinem Konzept der beständigen Verbesserung auch eine entsprechende Verbesserung des Wissen einbezogen. Die Vorstellung, daß man eines Tages sämtliches Wissen erfassen kann, war ein Konzept aus dem 19. Jahrhundert. Daß man im 21. Jahrhundert immer noch davon ausgeht, ist zwar möglich, aber trotzdem verkehrt. Wissen muß ständig vervollständigt, ausgeweitet und ergänzt werde.

Statistiker-Schelte 3 – Gore Verbinski schießt gegen die Schlipsträger

Mittwoch, 7. Mai, 2008

Im Februar 2008 fand in Las Vegas der D.I.C.E Summit 2008 statt, ein jährlicher Gipfel der Videospiel-Produzenten. Die Grundsatzrede wurde von Gore Verbinski, der vor allem als Regisseur der „Fluch der Karibik„-Trilogie bekannt ist. Die Videospiel-Umsetzungen bildeten auch die Basis für seine Rede.

Gore Verbinski zeigte sich enttäuscht von den Umsetzungen, welche allgemein mäßige Kritiken bekommen haben. In seinen Worten hat sein Team mit den Filmen „Werte aus Nichts“ erschaffen, und er mußte zusehen, wie die Hersteller „Nichts aus den Werte“ erschaffen haben. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte zeitgleich mit den Filmen eine umfangreiche Multiplayer-Online-Version auf dem Markt erscheinen sollen. Der Grund, daß dies nicht geschah, sah er darin, daß die Spiele unter einem Merchandise-Gesichtspunkt gerieten, wo sie denselben Stellenwert wie ein Poster oder eine Aufziehpuppe hatten.

Laut Verbinski liegt das Problem darin, daß die meisten Spiele sich zu ähnlich sehen, da sie nur besseren Versionen von der selben Sache darstellen (wieso kommt einem hier EA Sports in den Sinn?) und nicht mal die Oberfläche dessen ausgelotet hätten, was hinsichtlich des menschlichen Erlebens möglich ist. Er stellte klar, daß das Publikum überrascht werden will und forderte, daß die kreativen Kräfte freigesetzt werden.

In diesem Zusammenhang machte Verbinski einen Seitenhieb gegen die Statistiker, indem er feststellte, daß die Daten nicht der Bösewicht sind, sondern daß es der Statistiker ist, der nicht sehen kann, daß die Stichprobe zu schmal ist, um genaue Schlußfolgerungen zu ziehen.

An dieser Stelle sollte man klarstellen, daß es nicht der Statistiker ist, der dies übersieht, sondern Leute, welche sich Statistiker bzw. statistischer Methoden bedienen. Das Problem entsteht dadurch, daß die Statistik entweder dazu dienen soll, eine gewünschte Politik abzusichern, oder daß die Grenzen der statistischen Methoden nicht gesehen werden. Wenn man den zukünftigen Weg eines Unternehmens nur nach den bisherigen Erfahrungen ausrichtet, dann kommt das laut Myron Tribus dem Versuch gleich, Auto zu fahren, indem man dabei durch die Heckscheibe sieht. Das hat einer Stichprobenerhebung allerdings nicht viel zu tun, wie Verbinski vermutet hatte, sondern mit einer Auslassung von Innovation. Ein richtiger Statistiker ist sich dieses Umstandes bewußt.

Natürlich spricht nichts dagegen, wenn man untersucht, welche Faktoren für den bisherigen Erfolg verantwortlich waren, um dann zu versuchen, den Erfolg zu wiederholen. Solange das funktioniert, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Vom „Fluch der Karibik“ wurden übrigens auch zwei Fortsetzungen gedreht. Der Film selbst basiert auf der gleichnamigen Attraktion in Disneyland. Das entscheidende aber ist, daß es vor dem Start des ersten Filmes Zweifel gab, ob er überhaupt Erfolg haben kann. Schließlich zeigte die Erfahrung, daß Piratenfilme in den letzten Jahren gewaltige Mißerfolge waren, trotz Anstrengungen von Regisseuren wie Renny Harlin oder Roman Polanski. Das der Film Erfolg hat, beweist, daß es sich auszahlen kann, auch mal ungewöhnliche Wege zu gehen.

Abschließend läßt sich zu Verbinskis Forderungen sagen, daß man zwar nicht immer nur unerprobte Wege beschreiten kann und es ohne Statistik und Analyse der bisherigen Erfahrungen nicht geht, aber daß sie als Richtung, welche es zukünftig einzuschlagen gilt, grundsätzlich berechtigt sind und die Rede somit als verdienstvoll einzustufen ist. Da läßt sich auch die Kritik an die Statistiker verzeihen.

Heimvorteil im niederländischen Fußball

Dienstag, 6. Mai, 2008

Vor kurzem habe ich in einem Beitrag über eine Methode berichtet, um den Heimvorteil einer Fußballmannschaft während einer Saison zu berechnen (Details siehe dort). Der Heimvorteil einer Mannschaft ist definiert als die durchschnittliche Verbesserung der Tordifferenz pro Spiel zugunsten dieser Mannschaft, wenn sie auf ihrem eigenen Platz spielt. Die Berechnungsmethode habe ich auf die Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga angewandt. Ein wesentlicher Aspekt bei der Analyse ist, daß die Resultate einer Saison wenig über den Heimvorteil einer bestimmten Mannschaft aussagen, sondern daß man dafür Mittelwerte über mehrere Jahre benötigt. Eine weitere Beobachtung, welche auch im zugrundelegenden Artikel gamcht wurde, war, daß die Entfernung eines Vereins zu den anderen Mannschaften einen wichtigen Einfluß auf den Heimvorteil einer Mannschaft hatte; je abgelegener eine Spielstätte war, desto besser waren die Heimergebnisse gegenüber den Auswärtsergebnissen.

Diese Methode habe ich jetzt nach Ablauf der Saison auf die Mannschaften der beiden höchsten niederländischen Spielklassen, der Eredivisie sowie der Eerste Divisie, angewandt. Die Analyse gewinnt einen besonderen Reiz durch den Umstand, daß über lange Jahre dieselben Mannschaften im bezahlten Fußball spielten, da aus der Eerste Divisie normalerweise (also sportlich) keine Mannschaften absteigen oder in sie aufsteigen. Zuletzt wurden 2003/04 der AGOVV Apeldoorn und 2005/06 der FC Omniworld aus Almere aufgenommen. Der KNVB plant für die Zukunft die Einrichtung einer Topklasse zwischen der Eerste Divisie und der Amateurklasse mit einer sportlichen Auf- und Abstiegsregelung. Diese Pläne werden jedoch frühestens 2009 in die Tat umgesetzt.

Durch die besonderen Gegebenheiten bin ich dazu übergegangen, für die Berechnung des Heimvorteils statt der letzten 10 Jahre die letzten 15 Jahre heranzuziehen. Daß die Saisonresultate auch in den Niederlanden stark schwanken, kann man an dem in den letzten Jahren erfolgreichsten Verein, dem PSV Eindhoven, sehen. Der Heimvorteil, welcher insgesamt zu der höheren im niederländischen Fußball gehört, wies eine der stärksten Varianzen auf:

Heimvorteil des
PSV Eindhoven
Saison Heimvorteil
1993/94 0,290
1994/95 1,397
1995/96 1,066
1996/97 1,978
1997/98 1,143
1998/99 1,515
1999/00 0,382
2000/01 – 0,228
2001/02 1,934
2002/03 – 0,257
2003/04 – 0,482
2004/05 – 0,195
2005/06 0,022
2006/07 1,070
2007/08 0,445

Der Heimvorteil des PSV schwankte in den letzten 15 Jahren somit zwischen -0,482 und +1,978. Im Durchschnitt ergibt das einen Heimvorteil von 0,672. Trotz der großen Varianz in den Spielzeiten ist dieser Mittelwert signifikant größer als Null.

Wie für den deutschen Fußball wurde nun für die anderen Mannschaften der ersten und zweiten Spielklasse der Heimvorteil berechnet. Dabei liegen für 36 Mannschaften Ergebnisse der letzten 15 Jahre vor. Der AGOVV Apeldorn spielt seit 5 Jahren im bezahlten Fußball mit. Der FC Omniworld ist erst seit 3 Jahren dabei, was für eine aussagefähige Schätzung nicht ausreicht:

Heimvorteil der Fußballvereine
der niederländischen Eredivisie und der Eerste Divisie
Spielzeiten 1993/94 bis 2007/08
Platz Verein Spielzeiten Heimvorteil
1. AGOVV Apeldoorn 5 1,216
2. Willem II Tilburg 15 0,910
3. FC Volendam 15 0,733
4. FC Groningen 15 0,689
5. FC Utrecht 15 0,685
6. PSV Eindhoven 15 0,672
7. MVV Maastricht 15 0,667
8. Go Ahead Eagles Deventer 15 0,646
9. Ajax Amsterdam 15 0,630
10. Sparta Rotterdam 15 0,629
11. Roda JC Kerkrade 15 0,622
12. RBC Roosendaal 15 0,570
13. ADO Den Haag 15 0,547
14. Feyenoord Rotterdam 15 0,535
15. De Graafschap Doetinchem 15 0,534
16. FC Eindhoven 15 0,504
17. FC Emmen 15 0,493
18. SC Heerenveen 15 0,489
19. FC Twente Enschede 15 0,476
20. Helmond Sport 15 0,469
21. FC Zwolle 15 0,463
22. TOP Oss 15 0,423
23. HFC Haarlem 15 0,419
24. RKC Waalwijk 15 0,383
25. Cambuur Leeuwarden 15 0,378
26. VVV Venlo 15 0,372
27. FC Dordrecht 15 0,370
28. AZ Alkmaar 15 0,367
29. Vitesse Arnhem 15 0,360
30. Heracles Almelo 15 0,342
31. FC Den Bosch 15 0,334
32. Excelsior Rotterdam 15 0,329
33. FC Omniworld (Almere) 3 0,299
34. NEC Nijmegen 15 0,291
35. Stormvogels Telstar (Velsen) 15 0,278
36. NAC Breda 15 0,203
37. BV Veendam 15 0,091
38. Fortuna Sittard 15 0,056

(kursiv: Manschaften mit weniger als 5 Spielzeiten)

(Quellen: Soccerway, RSSSF)

Neben dem AGOVV Apeldoorn, der allerdings erst seit 5 Jahren vertreten ist, erwiesen sich der FC Volendam und vor allem Willem II Tilburg als Vereine, welche über die Jahre einen hohen Heimvorteil aufwiesen. Am anderen Ende der Tabelle kann man Fortuna Sittard und der BV Veendam als Vereine mit geringem Heimvorteil bezeichnen. Den größten Heimvorteil in einer Saison verzeichnete der FC Emmen in der Saison 1993/94 mit einem Wert von 2,515. Den geringsten Heimvorteil in einer Saison wies der FC Eindhoven (nicht identisch mit dem PSV) in der Saison 2006/07 mit einem Wert von -1,658 auf.

Auch hier stellt sich die Frage, welche Faktoren über den Heimvorteil einer Mannschaft entscheiden. Bei Tilburg und Volendam (und zu einem gewissem Grade bei Apeldoorn) kann man von einem hohen Heimvorteil sprechen, welcher auf besondere Gegebenheiten dieser Vereine zurückzuführen sein dürfte. Das selbe kann man für die geringen Heimvorteile von Sittard und Veendam aussagen. Für die Masse der Vereine müssen allgemeine Schlußfolgerungen gezogen werden.

Für Deutschland und England gibt es Anzeichen, daß die Abgelegenheit einer Spielstätte über den Heimvorteil entscheidet. Für die Niederlande kann man so einen Zusammenhang ohne genauere Analyse nicht so einfach ziehen. So weist der hoch im Norden gelegene FC Groningen einen hohen Heimvorteil auf, der in ca. 50 km Entfernung spielende Emmen jedoch nicht. Ebenso hat der in der Randstad gelegene FC Utrecht einen hohen Heimvorteil auf, die in Südlimburg spielende Fortuna Sittard jedoch nicht. Es kann sein , daß die Entfernung in den Niederlanden keinen so großen Einfluß hat oder daß bei den „untypischen“ Vereinen besondere Faktoren vorliegen.

Der AGOVV Apeldoorn in den ersten 5 Jahren im bezahlten Fußball – auch gemessen an diesen wenigen Jahren – gute Heimergebnisse erzielt. Man könnte nun vermuten, daß die Tatsache, das es sich um einen Neuzugang handelt, eine Rolle spielt. Allerdings scheint sich dies für den FC Omniworld bisher nicht ausgezahlt zu haben. Das zeigt wiederum, daß man für eine Vermutung nicht nur Beispiele betrachten sollte, welche diese Vermutung belegen.

Der nächste Schritt wäre, wie bei den anderen untersuchten Ländern, den zeitlichen Verlauf des Heimvorteils der einzelnen Mannschaften daraufhin zu betrachten, ob sich dort etwas besonderes ereignet hat. Das können Trends, Änderungen im Niveau oder Jahre mit ungewöhnlichen Resultaten sein.

Die Analyse des niederländischen Fußballs hat mich dazu ermutigt, nach Abschluß der aktuellen Bundesligasaison den Zeitraum ebenfalls auf 15 Jahre auszuweiten.

Bitte nicht den Lokführer hauen

Montag, 5. Mai, 2008

Vor einigen Jahren war in der tz München folgender Bericht zu lesen:

„Wilder Richter verletzt Lokführerin (29) schwer.“

Regelmäßig gibt es Vorfälle, wo Lokführer beschimpft, körperlich angegriffen oder sonstwie den Aggressionen von Fahrgästen ausgesetzt sind, meistens wegen Verspätungen.

Auf der einen Seite sind Verspätungen, besonders wenn sie regelmäßig vorkommen oder durch sie die persönliche Terminplanung über den Haufen geworfen wird, äußerst ärgerlich. Auf der anderen Seite – abgesehen davon, daß Aggressionen nicht unbedingt eine zivilisierte Umgangsform darstellen – ist der Lokführer nicht 100 Prozent frei in seinen Handlungen, sondern muß auf Signale reagieren, die ihrerseits durch den Fahrplan bzw. den bestehenden Betriebsablauf bestimmt werden. Aus diesem Grund kann der Lokführer nicht allein für die Verspätungen verantwortlich gemacht werden, sondern nur zu einem geringen Teil. Zum Glück scheint es doch einige Leute zu geben, welche sich dieser Umstände bewußt sind und sich somit mit Aggressionen zurückhalten (und weil sie sich irgendwelchen Anstand angeeignet haben).

Während bei es bei Lokführern offensichtlich ist, daß sie an Weisungen gebunden sind und mit dem zur Verfügung stehenden Material auskommen müssen, wird mit anderen Arbeitnehmern weniger gnädig umgegangen. Sie müssen für Probleme, welche auftreten, die Verantwortung übernehmen. Das Problem dabei ist, daß die Leistungen Arbeitnehmer von der Unternehmenskultur und -politik sowie dem Arbeitsplatz und den Materialien abhängig ist. Aus diesem Grund hat W. Edwards Deming festgestellt, daß das System für 94 Prozent aller Leistungen verantwortlich ist. Wenn der Arbeitnehmer 100 Prozent aller Verantwortung übernehmen muß, dann geht das an den Zusammenhängen vorbei. Besonders schlimm wird es, wenn der Arbeitnehmern die Kompetenzen fehlen, um Verbesserungen am System zu bewirken, z.B. indem sie Informationen über Probleme an ihrem Arbeitsplatz weiterleiten können.

Der Weisung „Bitte nicht den Lokführer hauen“ dient somit neben ihrer eigentlichen Bedeutung auch als Slogan, um eine verbesserungsfreudige Unternehmenskultur zu schaffen.